February 10, 2023 #fairändern 0 Comments

Mein Mann und ich sind beide mit Geschwistern aufgewachsen. Wir hatten einander recht jung gefunden und waren uns einig: Kinder gehören zu einer Familie. Und wir wünschten uns mindestens 2, besser noch 3 oder sogar ein viertes Kind. Heute schmunzle ich über die damalige Ungewissheit. Mit diesem Wunsch galten wir in unserem Umfeld als ungewöhnliches Paar. Hier waren ein bis zwei Kinder „erwünscht“, alles andere galt als außergewöhnlich. Für uns zählte vor allem ein Gedanke: Wir wollten jedes einzelne Kind als Geschenk wertschätzen und diese große Verantwortung ganz bewusst annehmen. Warum erwähne ich das? Später werde ich noch einmal darauf zurückkommen…

So viel zu unserem Traum. Wir konnten nicht ahnen, was noch auf uns zukommen würde.

In unseren ersten Ehejahren dachten wir uns nicht viel dabei, als unser Kinderwusch noch unerfüllt blieb. „Macht euch nicht zu viele Sorgen“, empfahl man uns,“ der richtige Moment wird schon noch kommen“. Inzwischen nützten wir die Zeit und investierten viel Herzblut und finanzielle Mittel, um bedürftigen Familien in Rumänien zu helfen.

Die Zeit verging. Für mich fühlte es sich so an, als ob wir auf der Reservebank warten würden. Meine Freundinnen bekamen Kinder und ich begann mich zu fragen, was wohl mit mir nicht stimmte, denn eine körperliche Ursache konnte nicht gefunden werden. Jemand argwöhnte sogar, dass wir es uns „eigentlich nicht“, oder „nicht genug“ wünschten. Das verletzte mich sehr. Ich hatte schon seit langer Zeit beruflich und ehrenamtlich viel mit Kindern zu tun, doch selbst das stillte meine Sehnsucht nicht.

Im Laufe der Jahre wurden kinderlose Paare in unserem Bekanntenkreis überraschend doch noch Eltern. Das machte uns Mut. Mein Mann hoffte auf das siebte Jahr, entsprechend seiner Lieblingszahl, aber dieses Jahr kam und ging und es war immer noch nicht so weit…

Eines Tages saß ich in einem Gottesdienst und machte meinen Frieden mit Gott und dem Thema Kinderwunsch. In demselben Moment erinnerte ich mich an eine Situation in meiner Kindheit. Ich hatte schon damals beschlossen später Kindern ohne Eltern ein Zuhause geben zu wollen. Mich erfüllte bei diesem Gedanken eine unglaubliche Freude und ein unbeschreiblicher, tiefer Frieden. Dieser Moment fühlte sich für mich genauso an, als ob ich erfahren hätte ich sei schwanger.

Kurz darauf stand unser Entschluss fest, uns als Adoptiveltern anzumelden. Wegen der Hürden, Kinder in Österreich zu adoptieren, entschieden wir uns für ein Geschwisterpaar aus Rumänien. Der Weg dahin war ebenfalls nicht einfach und viele Details fanden wir erst im Verlauf des Prozesses heraus. Wir erfuhren beispielsweise, dass Kinder zuerst im Inland vermittelt würden und wir den Wunsch, Babys mit nach Hause zu nehmen, lieber gleich begraben sollten.

Sowohl die österreichischen als auch die rumänischen Behörden hatten noch keinerlei Erfahrung mit grenzüberschreitender Adoption. Immer wieder wurde unser Dossier zurückgesandt, weil noch etwas fehlte oder falsch verstanden wurde. Dazu kamen Kosten für Übersetzungen, Beglaubigungen und Papieren für die Kinder. Wir haben so manchen Behördengang mit Tränen abgeschlossen.

Ein Vorbereitungskurs für Pflegeeltern half uns dabei, uns über Verschiedenes klar zu werden: Jedes Kind sollte als individuelle Persönlichkeit mit seinem eigenen genetischen Erbe und seinen bisherigen Erfahrungen angenommen werden. Als Adoptivmutter muss man den Traum vom eigenen Empfangen ablegen und ganz bewusst den Schritt vom „aus mir heraus“ zum „zu mir hinzu“ machen, um dem Kind nicht eine Rolle zuzuschreiben, die es nicht erfüllen kann. Die Kinder identifizieren sich oft auch unbewusst mit der Frau, die sie geboren hat. Die Begriffe „Bauch-Mama“ und „Herzens-Mama“ haben uns dabei geholfen das einzuordnen. Durch den Kurs konnte ich darauf vertrauen, dass die Herzens-Bindungen etwas Zeit brauchen, aber sicher kommen und genauso stark sind!

Nach über drei Jahren des Wartens und Bangens kam schließlich der erlösende Anruf. Wir erfuhren, dass zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, auf uns warteten. Es dauerte dann aber noch einen Monat, bevor wir zu ihnen reisen durften. Das war der längste Monat meines Lebens.

Ich hatte schon früher viele Geschichten von Liebe auf den ersten Blick bei der ersten Begegnung gehört. Das hatte mich schon damals sehr bewegt und trug nun zu meiner Aufregung bei. Wir hatten uns vorgenommen, erstmal die Kinder kennenzulernen und uns als Freunde, die zu Besuch kommen, vorzustellen. Die Behörden vor Ort hatten uns allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht und uns gleich als neue Eltern angekündigt. Daher reagierten die Kinder zunächst eher verwirrt und ablehnend auf uns. Auch ich war im ersten Moment verunsichert, da ich keine „Liebe auf den ersten Blick“ empfand. Die ganze Aufregung war mir zu viel – ich brauchte Zeit. So lernten wir einander besser kennen und waren bald unzertrennlich. Die Liebe darf wachsen – und genau das ist auch passiert!

Sechs Jahre später sitze ich hier und berichte. Wir haben fröhliche und schwierige Tage erlebt und zu viert gelernt, das Leben zu bewältigen, zu genießen und zusammen zu wachsen. Wenn ich heute Fotos von früher anschaue, werde ich ganz sentimental, wie rasch die Kinder größer werden und wie schnell die Zeit vergeht. Sie sind uns so sehr ans Herz gewachsen und haben sich sehr gut eingelebt. Jedes Kind darf sein eigenes emotionales „Packerl“ nach und nach auspacken. Wir Eltern begleiten sie gerne dabei und unterstützen sie so gut wir können auf ihrem Lebensweg. Das ist unser Weg zur Adoption.

Raluca, Adoptivmutter

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