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Schwanger nach Vergewaltigung

Februar 19, 2021 #fairändern 0 Comments

Ich erinnere mich genau an den Tag, als mir meine Eltern erzählten, wie ich erzeugt wurde. Ich war zu dem Zeitpunkt 21 Jahre alt und mir gefror das Blut in den Adern. Mein Vater beichtete mir ein Geheimnis, das meine beiden Eltern bis dahin verheimlicht hatten: Ich bin durch eine Vergewaltigung entstanden.

Ich lebe sehr gerne und ich bin dankbar für das Geschenk des Lebens, aber immer dann, wenn ich Artikel oder Kommentare lese, die Abtreibung als optimale und einzige Lösung im Schwangerschaftskonflikt bezeichnen, besonders für Frauen, die vergewaltigt wurden, stellt sich mir eine Frage:

Habe ich weniger das Recht zu leben als „normal gezeugte“ Kinder?

Meine Mum hat mir von klein auf erzählt, dass ich ihr das Leben gerettet habe. Sie hatte aufgrund familiärer Probleme zu kämpfen. Sie hatte sich vor einigen Jahren getrennt von ihrem ersten Mann, mit dem sie schon zwei Kinder hatte. Ihr aktueller Lebenspartner, mein Vater, und sie hatten mächtige Beziehungsprobleme. Zudem war meine Mutter zu dem Zeitpunkt Alleinverdienerin. Immer wieder kam es zu Streitigkeiten zwischen ihr und meinem Dad. Teilweise mit Handgreiflichkeiten und körperlicher Gewalt bis hin zu dem Tag jener Vergewaltigung.

Aufgrund der ganzen Belastung und des emotionalen Chaos rutschte sie in Depressionen ab. Sie hatte Selbstmordgedanken und nicht die Kraft, sich von meinem Papa zu trennen. Dann bemerkte sie, dass ich auf dem Weg war. Und sie wusste, dass sie jetzt Verantwortung für ein zweites Leben in sich trug. Der Gedanke an mich in ihrem Bauch ließ sie durchhalten und sie schöpfte Kraft.

Der Wendepunkt

Sie stabilisierte sich so sehr, dass sie versuchte ihre Beziehungen in Ordnung zu bringen – allen voran die Beziehung zu meinem Vater. Ich weiß ehrlich nicht, wie sie es schaffte, aber sie vergab ihm all das und sie versuchten, zusammen einen neuen Weg zu finden.

Dass ich schließlich geboren wurde, obwohl meiner Mutter einige zu einer Abtreibung rieten, war für beide ein Neustart. Sie wussten, sie hatten diese eine Chance. Meine Mutter hat sie ergriffen und auch mein Vater arbeitete hart an sich. Ich kann nicht sagen, dass meine Kindheit perfekt oder unbeschwert war. Aber ich bin froh über die Entscheidung, die meine Mutter getroffen hat:

Sie entschied sich für mich, für das Leben und gegen die Abtreibung!

Ich weiß, dass es jetzt einige geben wird, die christlich motivierte Taten hinter dieser Story vermuten. Dem ist nicht so: Meine Mutter ist tatsächlich ohne Glaubensbekenntnis gewesen und mein Vater war auch nur auf dem Papier evangelisch. Sie beide lebten im Kommunismus und waren deshalb fernab von jeglichem christlichen Glauben.

Ich möchte jede Frau ermutigen, zu ihrem Kind ja zu sagen, auch wenn die Umstände noch so schrecklich sind. Ein Kind kann nichts für die Fehler erwachsener Leute. Ein Kind kann auch nichts für eine Vergewaltigung. Aber ein Kind kann Freude schenken in Situationen, die finster und ausweglos erscheinen. Jedes Kind ist genauso unschuldig, wie es die Chance und das Recht auf Leben verdient hat.

Alles Liebe, Constanze*

*Name geändert, um die Identität der Personen zu schützen

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