Dr. Eugen Banauch
Leiter der Abteilung Forschungsmanagement Mozarteum Salzburg
Dass ungeborene Kinder beim Verdacht auf geistige oder körperliche Behinderung in Österreich bis kurz vor der Geburt abgetrieben werden können, macht mich persönlich betroffen, da meiner Mutter aus genau diesem Grund zur Abtreibung geraten wurde.
Hat sie nicht gemacht… Heute ist meine Schwester eine fantastische Lehrerin, Mutter von 6 Kindern und ein echtes Vorbild für viele – und ohne Behinderung auf die Welt gekommen. Aber selbst, wenn: dass so wenige Kinder mit Down-Syndrom leben dürfen, ist im krassen Widerspruch zu den Diversitätsgeboten unserer Zeit.
#fairändern setzt sich für ein neues Nachdenken über den Schutz des ungeborenen Lebens ein; fern von einzementierten Ideologielinien, Freiheitsbildern und Freund/Feind-Schemata. Das finde ich unterstützenswert!
Perfektionismus & Idealismus
„Warum passiert das immer mir?“ fragte sich kürzlich ein verzweifelter junger Mann. So gerne würde er eine Familie gründen und eigene Kinder haben. Doch seine frühere Partnerin trieb das gemeinsame Kind ab. Jetzt ist seine derzeitige Freundin von ihm schwanger. Aber – auch sie will kein Baby, obwohl er es sich doch so sehr wünscht.
In einem langen Beratungsgespräch sprach sie immer wieder davon, alles „perfekt“ machen zu wollen, so wie auch bei ihren Eltern alles „perfekt“ abgelaufen sei: Erst das Studium beenden, danach eine Familie gründen – so sei es „richtig“.
Außerdem ekle sie sich vor ihrem Körper und vor der Schwangerschaft. Sie war sehr schlank und wollte auf keinen Fall „fett“ werden. Vieles in den Aussagen der Studentin sprach von einem unheilvollen Perfektionismus, dem Streben nach Vollkommenheit. Und das bestand offenbar in gutem Aussehen, Karriere und finanziellem Wohlstand.
Opfer zugunsten des Idealismus
Die Gefühle ihres Freundes, sein Wunsch, das Baby zu behalten, wurden in ihre Überlegungen gar nicht erst einbezogen – obwohl ihr in der Beratung Mut gemacht wurde, das Kind auszutragen und dann ihm zu überlassen. So hätte sie doch ihr Studium, die Reisen, das Leben, das sie sich so „perfekt“ ausmalte, weiterleben können.
Sie hätte ihrem Freund Freude und Hoffnung geschenkt und das, was er sich wohl am Allermeisten wünschte: (s)ein Kind. Das wäre für ihn „perfekt“ gewesen… Leider entschied sie sich trotz allem dazu, die Abtreibung durchführen zu lassen und fügte dem jungen Mann dadurch eine weitere Verlusterfahrung zu.
Alle drei wurden Opfer eines kalten, sterilen Perfektionismus und Idealismus, die uns als erstrebenswert eingeredet werden – doch unerreichbar bleiben. Für die Schönheit des ungeplanten Lebens, ein Leben voller Überraschungen, ist in der Gesellschaft kein Platz mehr. Jeder, der nicht nach den suggerierten Maßstäben und dem vorgefertigten Zeitplan funktioniert, zählt als Außenseiter, abnormal, rückwärtsgewandt und Looser.
Niemand muss unter dem Druck der zeitgeistigen Ideale abtreiben und sich und andere ins Unglück stürzen. Was ist noch normal und wer darf das überhaupt festlegen?
#fairändern fordert, dass Politik und Gesellschaft Raum schaffen für die Vielfalt der unplanmäßigen Lebensgestaltung. Tatsächlich soll es gerade der weiblichen Bevölkerung ermöglicht werden, sich frei und ohne „Normdruck“ dafür entscheiden zu können – ohne dabei ihre psychische und physische Gesundheit gefährden zu müssen.
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