Unsere Lebens-Träume sind wichtig! Wenn es manchmal im Leben anders kommt als erwartet, heißt es nicht unbedingt, dass die Träume „zerplatzten“! Mit der Bereitschaft ein Kind zur Adoption freizugeben, rettet man nicht nur ein Menschenleben, sondern beschenkt auch jenes vieler weiterer Menschen, angefangen von den zukünftigen Eltern. Wir sind glückliche Adoptiveltern zweier wunderbarer Kinder und der Frau, die das möglich gemacht hat, für immer unendlich dankbar! Ohne sie persönlich zu kennen, ist sie für uns eine Heldin. Denn sie hat sich einst entschieden unsere zwei Kinder leben zu lassen und hat somit beigetragen, dass unser Traum als Familie wahr wurde.
Unserer Erfahrung nach, ist eine Adoption keine schlechtere Alternative, sondern eine viel bessere!
Vergleichen Sie selbst die beiden Möglichkeiten. Abtreibung: seelische Verstörung + zerstörtes Kinderleben = schnelle gegenwärtige Lösung mit ungeahnten Nebenwirkungen VERSUS glückliche Kindheit + eine glückliche Familie = Investition in die Zukunft.
“Ich durfte nicht Vater werden”
Als das Kondom riss, kannten wir uns seit drei Monaten. In Panik kauften wir nur wenige Stunden später die Pille in der Apotheke. Durchatmen. Wir, frisch zusammen und unerfahren in solchen Dingen, waren uns sicher: Es würde schon gut werden. Die Pille danach würde es richten. Ein paar Wochen später wussten wir, dass meine Freundin zu den 0,4 Prozent der Frauen zählte, die trotz Pille danach schwanger werden. Es war an einem Dienstag auf dem Flur unserer Fachhochschule, zwischen zwei Vorlesungen, als ich davon erfuhr. “Ich bin schwanger”, sagte sie und brach in Tränen aus. “Wir schaffen das”, sagte ich, und wir umarmten uns lange. Den restlichen Tag durchlebte ich wie in Trance. Ich war durcheinander, aber auf eine gewisse Art: glücklich. Übermütig und aufgeregt rief ich noch am selben Abend meine Eltern an: Ihr werdet Großeltern. Ich hatte mir immer schon gut vorstellen können, irgendwann mal Kinder zu haben, aber mich noch nie ernsthaft damit auseinandergesetzt. Wir waren damals beide erst 22 Jahre alt. Doch als es einfach passierte, war für mich klar: Ich möchte dieses Kind bekommen. Es sprach so vieles dafür: Wir waren schwer verliebt, unsere beiden Elternpaare würden uns unterstützen, die Fachhochschule ebenfalls. Dass meine Freundin mehr zweifelte als ich, spürte ich von Anfang an. Die Frau bei der Schwangerschaftsberatung machte uns Mut. Andere Studenten mit Kind schwärmten uns vor, dass das Studium ein guter Zeitpunkt für ein Kind sei. Eine Bekannte haben wir sogar mal einen Tag begleitet, sind mit ihr und ihrem kleinen Sohn in die Vorlesung und auf den Spielplatz gegangen. Wir beide hatten Spaß an diesem Tag auf dem Spielplatz. Doch all das bedeutete nichts im Vergleich zu diesem Ultraschallmoment, in dem der Gynäkologe sagte: “Sehen Sie da, da schlägt schon ganz klein und zaghaft das Herz.” Den Anblick des Ultraschallbildes werde ich nie wieder vergessen. Ich sah Leben. Ein Leben, für das wir verantwortlich waren.
In diesem Moment wurde ich mir eines Gefühls bewusst, das mich seitdem nicht mehr loslässt: Einem anderen Menschen den Weg ins Leben zu ebnen und in ihm weiterzuleben, ist für mich das größte Glück. Ich wollte Vater sein. Meinem Kind in die Augen sehen, mit ihm die steilsten Wasserrutschen im Freizeitbad ausprobieren, es trösten, wenn es Liebeskummer hat. Nach dem Termin beim Frauenarzt konnte ich meine Euphorie nicht mehr verstecken und habe meiner Freundin von diesen Gedanken erzählt. An ihrem Gesichtsausdruck und ihrer Einsilbigkeit erkannte ich sofort, dass sie meine Euphorie nicht teilen konnte. Der Ultraschallmoment habe sie überfordert, sagte sie. Sie fragte mich, ob wir statt von “Kind” nicht lieber erst einmal von “Zellmasse” sprechen könnten. Ich wusste, auch wenn wir beide zu gleichen Teilen dafür verantwortlich waren, dass diese Schwangerschaft passiert ist, die Entscheidung, ob wir dieses Kind bekommen würden, lag nur bei ihr. Ich wusste, ich konnte nur Vater werden, wenn sie das auch wollte. Also sagte ich zu ihr: “Egal, wie du dich entscheidest: Ich unterstütze dich voll und ganz!” Das meinte ich in dem Moment auch genau so. Ich wollte sie nicht unter Druck setzen. Und trotzdem versuchte ich in diesen sechs Wochen alles, um sie auf subtile Weise von unserem gemeinsam Kind zu überzeugen: Ich schrieb Pround-Contra-Listen mit Pro-Übergewicht. Besorgte Literatur zu dem Thema und las ihr vor. Suchte nach Jobs in meinem alten Ausbildungsberuf, die uns ein festes Einkommen garantieren würden.
Ich glaube, meine Freundin war lange hin- und hergerissen. An manchen Tagen sprach sie von dem Wunsch, bald ihr Studium zu beenden, endlich zu arbeiten, sich zu verwirklichen. Das sei ihr sehr wichtig, sagte sie. An anderen Tagen guckten wir uns alte Babyfotos von uns an und malten uns aus, wie sehr unsere Familien und Freunde unser Kind lieben würden. Immer wieder zögerte sie die Entscheidung hinaus. Manchmal sprachen wir mehrere Tage am Stück nicht darüber, ignorierten den Elefanten im Raum. Jeder verstrichene Tag war für mich ein Hoffnungsschimmer. Mit jedem Tag vergrößerten sich die Lebenschancen unseres ungeborenen Kindes. Und dann lagen wir an einem Frühlingstag zusammen im Wald. Den Geruch von frischem Bärlauch habe ich bis heute in der Nase. Ich hatte einen Grashalm zwischen den Lippen, und sie sagte: “Ich kann das nicht.” Sie umarmte mich, ich brachte kein Wort raus. In diesem Moment wusste ich nur, dass ich den Kampf verloren hatte. Ich versuchte auch nicht noch mal, sie umzustimmen. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so ohnmächtig gefühlt. In schwachen Momenten werfe ich ihr das heute vor, dass sie mich um mein Kind gebracht hat.
Wir teilten uns die Kosten für den Abbruch. Als es vorbei war, wollte sie so schnell wie möglich weiterleben wie zuvor. Ihr gelang das auch. Ich aber schrieb einen Abschiedsbrief an unser Kind, das nie geboren wurde. Ich gab ihm sogar einen Namen. Und ich denke heute, acht Jahre später, immer noch oft an es. Gerade jetzt, wo Freunde und Bekannte ihre ersten Kinder bekommen. Ich freue mich für sie, aber jedes Mal stelle ich mir auch die Frage: Was wäre ich jetzt wohl für ein Vater? Und mich plagt ein irrationaler Gedanke: Was, wenn ich aus irgendeinem Grund nie wieder die Chance bekomme, Vater zu werden? Was, wenn ich die einmalige Chance vertan habe? Was Männer bei einer Schwangerschaft fühlen, denken oder sagen, spielt oft keine große Rolle. Zum Glück kann ich mit meinen engen Freunden darüber reden, auch wenn sie sich nicht so sehr nach einer Vaterschaft sehnen wie ich. Mit meiner damaligen Freundin konnte ich es nicht. Wir waren nach dem Schwangerschaftsabbruch noch fünf Jahre zusammen, es war eine schöne Beziehung. Doch über die Schwangerschaft redeten wir nur noch ein einziges Mal: in unserem Trennungsgespräch. Erst da gestand ich ihr, dass die Geschichte mich nie losgelassen hatte. Und es bis heute nicht tut. Mit späteren Freundinnen habe ich nie über diese Geschichte gesprochen – es war noch keine dabei, zu der das Vertrauen groß genug war. Trotzdem ertappe ich mich manchmal dabei, herausfinden zu wollen, wie eine Frau zum Thema Kinder steht. Vater zu werden, ist seit dieser Schwangerschaft vor acht Jahren mein größter Lebenstraum geblieben.
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