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Julia erzählt ihre Geschichte

“Mein Name ist Julia S. und ich bin Mutter von vier gesunden Kindern. Jede Schwangerschaft war anders, so wie die Kinder, die dabei gewachsen sind. Bei jeder dieser Schwangerschaften durfte auch ich wachsen. Jedes dieser viermal neun Monate hat mich zu der Frau gemacht, die ich heute bin.

Besonders die Schwangerschaft mit unserer Jüngsten prägte mich: Ich war damals 36 Jahre alt und somit laut Vorsorgeuntersuchung standartgemäß auf Grund meines Alters vorgesehen für ein Erst-Trimester Screening. Dabei handelt es sich um einen Test, der die Wahrscheinlichkeit eines eventuellen Chromosomenschadens beim Fötus errechnet. Bei allen drei Kindern vorher hatten mein damaliger Mann und ich entschieden diesen Test nicht durchführen zu lassen, da die mögliche Konsequenz einer Abtreibung nicht in Frage kam. Und so konnte ich meinen Ohren kaum trauen, als ich einen Tag nach der Untersuchung, die ich völlig bedenkenlos hinter mich gebracht hatte, plötzlich mit einer Oberärztin des Krankenhauses sprach, die mir nahelegte unser Kind – mein Baby – auf Grund einer errechneten hohen Wahrscheinlichkeit von Trisomie 18, abtreiben zu lassen. Ich stand gerade voll bepackt mit meinen drei gesunden Kindern in einem großen Möbelhaus und ließ vor Schreck alles fallen. Die Frau musste sich verwählt haben. Das war mein erster Gedanke. Und gleichzeitig war ich über die distanzierte, fachliche Gefühllosigkeit, mit der diese Ärztin über mein Kind redete, dermaßen vor den Kopf gestoßen. Wie konnte sie nur so kalt und unberührt über mein kleines Wunder sprechen?!

Mein Frauenarzt riet uns zu einer weiteren Abklärung, zu einem nicht invasiven Pränataltest. Stark verunsichert und auch eingeschüchtert durch die beiden Gespräche und der Schwere der getätigten Aussagen beschlossen wir schließlich den Test durchführen zu lassen. Nicht etwa, um unser Kind abtreiben zu lassen, sondern viel mehr aus Angst und im Hinblick auf den zu erwartenden Tod bzw. die möglichen Beeinträchtigungen unseres Kindes. Die Zeit des Wartens war geprägt von bangem Hoffen und Durchhalteparolen. Alles in allem eine sehr angespannte und im Nachhinein betrachtet eine der einsamsten Zeiten in meinem Leben. Weil gefühlt niemand den Druck und Schmerz und die Angst verstehen konnte, die ich in mir hatte. Die faktische Unwissenheit über unsere weitere Zukunft wurde mir selten so schmerzlich bewusst, wie in jenen Tagen, in denen ich auf das Ergebnis warten musste. Endlich kam dann der ersehnte Termin und mein Arzt teilte uns mit, dass wir mit einem Mädchen rechnen durften und das es ziemlich sicher gesund sein würde. Natürlich würde immer ein Restrisiko bleiben. Als ich dann etliche Monate später, nach einer Bilderbuchgeburt, meine wunderschöne Tochter im Arm halten durfte, konnte ich meine Dankbarkeit nicht in Worte fassen. Die damalige Ärztin arbeitete im gleichen Krankenhaus und ich wollte ihr das Baby, das sie „berechnet“ hatte einfach nur vorstellen. Leider war sie dazu nicht bereit. Ich möchte mit dem Teilen meiner Geschichte allen werdenden Müttern Mut machen sich nicht von Berechnungen und Vorsorgeuntersuchungen ein Ergebnis aufdrängen zu lassen, sondern vielmehr jede Aussage als das zu sehen, was sie ist: eine Berechnung der Wahrscheinlichkeit auf Basis einer medizinischen Momentaufnahme. Hinterfragt das Ergebnis, holt euch verschiedene Meinungen ein, holt euch Unterstützung zum Durchhalten und vor allem: Hört auf eurer Herz.”

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