Josef

September 21, 2018 #fairändern 1 Comment

Da lag ich nun auf dem Geburtsbett – unser 6. Kind war geboren: Josef. Ich war froh, dass das Baby endlich da und alles so schnell gegangen war. Große Erleichterung! Beim 5. Kind hatte ich es nicht mehr ins Spital geschafft. Aber alle Geburten waren reibungslos verlaufen. Alle Ängste waren verflogen und pure Freude stellte sich ein.

Diesmal war es anders. Nach wenigen Augenblicken der Zweisamkeit nahmen sie den kleinen Josef mit ins Nebenzimmer. Die Tür wurde zugemacht. War etwas nicht in Ordnung? Zugegeben, ich war bereits 44… War Josef wohlauf? Allein dieser Gedanke spukte in meinem Kopf herum.

Endlich kam der Arzt in Begleitung einer Schwester zu mir ans Bett, setzte sich – mit versteinerter Miene – und sagte zunächst nichts.
Ich: „Geht’s dem Baby gut?“
Arzt: „Das Baby ist ok – es ist zwar etwas ‚blau‘ – er braucht noch ein wenig Sauerstoffhilfe. Aber da ist noch etwas: Es besteht der große Verdacht, dass Ihr Sohn Trisomie 21 hat. Wissen Sie, was das bedeutet?“
Irgendwo hatte ich den Ausdruck schon gehört. Nach den Strapazen der Geburt – es war immerhin halb 2 Uhr Früh – wusste ich im ersten Augenblick wirklich nichts damit anzufangen.
„Mit anderen Worten, er hat mit großer Wahrscheinlichkeit Down Syndrom“, erklärte der Arzt.

Und jetzt dachte er sicher, ich würde in Ohnmacht fallen.

Vielmehr sagte ich: „Ich bin nur froh, dass mein Sohn überleben kann und die Geburt vorbei ist.“ Alles andere war mir im Moment ziemlich egal.

Erst langsam begriff ich, was hier vor sich ging. Unser Kind würde anders sein…

Mein Mann war bei der Geburt nicht dabei gewesen, jemand musste – mitten in der Nacht – auf unsere anderen 5 Kinder aufpassen. Wie würde ich es ihm beibringen? Was bedeutete das alles überhaupt? Was würde auf uns zukommen?
In diesen ersten Tagen wurde alles sehr intensiv – jeder Anruf, jedes Gespräch, meine Gedanken im Kopf, auch die Tränen… Aber das Schlimmste war, dass er – Josef – nicht bei mir sein konnte, da er im Brutkasten liegen musste. Ich zog bald von der Entbindungsstation auf die Kinderstation, um Josef nahe zu sein. Von Anfang an hatte ich ihn ins Herz geschlossen. Von Anfang an war er zuckersüß und unser Wonnekind! Vor kurzem haben wir Josefs 3. Geburtstag gefeiert – und wenn wir auf diese 3 Jahre mit ihm zurückblicken, können wir nur sagen: Er ist wie ein Zuckerguss oder das Sahnehäubchen unserer Familie. Er schafft es, uns alle zum Lachen zu bringen. Wenn einer von uns vor Wut kocht, reicht es, nur in Josefs Nähe zu sein, und der Zorn schmilzt dahin wie Wachs in der Sonne.
Und nein, wir hatten keinen vorgeburtlichen Test durchgeführt, waren also total unvorbereitet. Aber was hätte es gebracht? Dass wir jedes Kind annehmen würden, egal, in welchem Zustand es ist, war uns klar. Hätten wir uns besser darauf einstellen können? Nein! Denn gerade beim Down Syndrom gibt es 1. oft Fehldiagnosen und dann stresst man sich umsonst. 2. weiß man nie, wie schwer das Kind betroffen sein wird. Und 3. hat man ja viel mehr Bezug zu einem Kind, wenn es geboren ist. D.h. wenn ich vorher weiß, dass das Baby anders ist, ich es aber nicht sehen kann, entsteht wenig emotionale Bindung. Nach der Geburt ist sie jedoch sofort gegeben.
Wer also ein Kind erwartet und es bereits weiß, dass es Down Syndrom hat, dem sage ich: Gratuliere! Du darfst dich auf ein wunderbares zuckersüßes Wonnekind freuen, das dein Leben unheimlich bereichern wird! Sicher kann es sein, dass Operationen anstehen – oft haben Down Syndrom Kinder ein Loch im Herzen oder sonstige organische Störungen. In unserem Fall ist das Loch nach 1 Jahr zugewachsen, Gott sei Dank! Und sicher muss man sich darauf einstellen, dass das Kind länger brauchen wird, um gehen und sprechen zu lernen. Aber dafür hat man ein Langzeitbaby! Wieviele Eltern beklagen sich, dass die „Babyzeit“ viel zu schnell vorbei ist!
Auch bekommt man von staatlicher Seite Unterstützung und professionelle Hilfe. Ich kann sagen, mit Josef hat sich in unserer Familie alles verändert – zum Besseren!”

Edel Maria Fontanari lebt mit ihrem Mann und ihren 6 Kindern in Kitzbühel.

 

 

 

One Comment

    October 15, 2018 REPLY

    Wunderbar! Was zählt, ist die Liebe, die Freude und das Miteinander❤

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